Gefahr durch Umweltgifte und Hungersnot
Zwei Jahre, nachdem Nancy und Paul die spektakulären Kämpfe zwischen Schwert- und Grauwalen filmen konnte, kehren sie in die Bucht von Monterey zurück. Diesmal fällt ihnen ein erschreckender Rückgang der Grauwalbestände auf.
Es dauert Wochen, bis die ersten Grauwale wieder auftauchen. Haben ungewöhnliche Eisbedingungen in der Arktis die Futterversorgung der Wale geändert?
Eindeutige Zeichen
Lange war das alles nur Spekulation, aber das Team findet mehr und mehr Hinweise auf eine Hungersnot unter den Giganten. Paul: "Es tauchten Grauwale auf, die waren so mager, dass ihre Rippen aus den Flanken vorstanden. Sie sahen aus, als würden sie verhungern. Und wir sahen viele solcher Tiere in der Saison!" Und dann beobachteten die Forscher etwas, was sie noch nie in der Bucht gesehen hatten. Paul: "Grauwale fressen normalerweise am arktischen Meeresboden, wo sie Krebstiere aus dem Sand pflügen. Aber hier schlürfen sie Krill von der Oberfläche - und dazu fern ihrer üblichen Weidegründe im hohen Norden. Das kann ein Zeichen schierer Verzweiflung sein."
Wandernde Residenten
Viele Wissenschaftler nehmen an, dass die Züge der nomadischen Schwertwale mit den Wanderungen der Grauwale zusammenhängen. Wenn immer weniger Grauwale in der Monterey Bucht auftauchen - wo bleiben dann die Schwertwale? Das Filmteam hat drei Wochen lang die Bucht abgesucht - kein Zeichen einer nomadischen Schwertwalgruppe. Endlich, einige Wochen später, eine Sichtung von Schwertwalen. Für eine Weile ist Nancy erleichtert. Bis sie bemerkt, wie groß die Gruppe ist - und ihr ein sehr ungewöhnliches Verhalten auffällt. Nancy: "Als wir näher dran waren, wurde mir klar, dass ich kein einziges Tier aus der Gruppe kannte. Sie waren untereinander sehr kontaktfreudig und dann untersuchten sie richtig neugierig das Boot - so was habe ich bei den Nomaden nie bemerkt. Es erinnerte mich an residente Schwertwale Alaskas. Aber ich dachte nicht im Traum daran, dass dies wirklich Tiere aus dem hohen Norden sein könnten - sie waren vor Kalifornien noch nie beobachtet worden."
Nancy ließ Fotos der Tiere von Kollegen in Alaska untersuchen. Es stellte sich tatsächlich heraus, dass es nördliche, also eigentlich nichtwandernde Tiere waren - 200 Kilometer südlicher als sonst! Irgendetwas muss sie auf diesen langen Weg gezwungen haben.
Die Flucht der Alaska Schwertwale war ein deutliches Indiz für massive Veränderungen in der Nahrungskette des nördlichen Pazifik. Aber ist es wirklich Futterknappheit - oder eher die Qualität des Futters, worunter die Raubwale leiden?
Überall wo Orcas vorkommen, sind sie an der Spitze der Nahrungspyramide im Meer. Deshalb hängen sie von allen Komponenten des Ökosystems ab - von den Schwärmen winziger Jungfische bis hin zu den großen Meeressäugern. Sie brauchen eine intakte Umwelt zum Überleben. Für ihren Schutz bedeutet dies: Wenn man Orcas erhalten will, muss man das gesamte System erhalten.
Der Schadstoff-Test
Es wäre eine grausame Ironie, wenn Beutetiere wie Grauwale oder See-Elefanten, die die Schwertwale mit so viel Einsatz erlegen, sie mit Schadstoffen vergifteten! Denn in den großen Grauwalen reichern sich alle Umweltgifte an, die sie im Lauf ihres langen Lebens aufnehmen. Um die Giftbelastung der Schwertwale zu testen, entnimmt Nancy mit einem Spezialgewehr Proben von ihrem Fettgewebe. Nancy: "Wir wissen nichts über die Anreicherung von Giften bei den hiesigen Wale, weil man bisher noch nicht nachgeschaut hat. Von Rudeln aus Alaska ist bekannt, dass ihre Toxinwerte ziemlich hoch sind." Viele giftige Rückstände von Schadstoffen wandern seit Jahrzehnten langsam durch Ökosysteme und reichern sich besonders in den Fleischfressern an. Schwertwale sind an der Spitze aller Nahrungsketten im Meer und spielen deshalb eine besonders wichtige Rolle als Indikatoren für Umweltbelastungen.
Traurige Gewissheit
Zwei Wochen später hat Nancy die Untersuchungsergebnisse ihrer Gewebeproben bekommen. Es sind bedrohliche Nachrichten: Die Monterey Wale haben alarmierend hohe Schadstoffmengen im Körper, es sind sogar die höchsten von allen bisher untersuchten Meeressäugern. Die Ozeanströmungen tragen nicht nur Nährstoffe in Hülle und Fülle, sondern auch Industriegifte. Über das verzweigte Nahrungsnetz gelangen sie in alle Bewohner der Meere und niemand weiß, was dies langfristig bedeutet.
Paul: "Eigentlich wollten wir nur einen Film über die verschiedenen Walgruppen machen. Aber es wurde viel mehr. Durch Nancys Forschungen erkannten wir allmählich, dass wir diese wunderbaren Geschöpfe vielleicht für immer verlieren werden."